j.home`s world
 
Freitag, 15. Juni 2012
filmriss

William Kotzwinkle
Eichborn Verlag 1987
aus dem amerikanischen von Hans Pfitzinger
S.322

In der Welt des amerikanischen Traums, da der Yankee von der Überzeugung lebt, die Sterne neu ordnen zu können, fristete Caspian sein dasein. Caspian war Schauspieler, ein Star unter den Schauspielern. Von Myron Fish, seinem gewieften Agenten, bekam er die Hauptrolle in einem Scince Fiction Streifen, Star Rover, vermittelt. Dort verkörperte er den Wanderer zwischen den Welten, einen Helden, den die Bestimmung zum Schutz schwächerer berufen hatte.

Caspian liebte es den Helden zu spielen. Für Schmonzetten hatte er nichts übrig. Caspian aber konnte nicht stoppen, was bereits in der Jugend seine Natur prägte. Nach der OP am Blinddarm hatte man ihm fälschlicherweise Penicillin verordnet, worauf er allergisch reagierte und das Resultat war eine leichte Psychose.

Caspian war nicht mehr der jüngste. Wollte er weiterhin ein angesagter Star sein, musste er täglich ans Limit gehen. Seit einiger Zeit jedoch, öffnete sich sein Bewusstsein für eine andere Identität. Es begann in sein Hirn einzubrechen. Wie das Wetterleuchten während eines Gewitters, durchströmten ihn Fragmente einer andern Welt. Caspian begann an sich zu zweifeln, als er für Sekundenbruchteile Szenen erblickte, die dem Bühnenbild eines Horrorstreifens entnommen sein könnten.
Er hatte keine Kontrolle darüber, zu welcher Zeit und an welchem Ort der Film riss.

Caspian führte ein verwöhntes Leben. War er nicht gut drauf, so zog er sich was rein. Auf Partys gehen und Partys geben, gehörte zum Stil Hollywoods. Der Kern des täglichen Lebens war umschlossen von der Suche nach der besseren Befindlichkeit. Caspian liebte diesen Lebensstil jedoch nicht zu sehr. Es war ihm eigentlich zuwider. Oft unternahm er Wanderungen in den Hügeln angrenzend an sein Grundstück. Er liebte es die Wölfe heulen zu hören, umherzustreifen. Und Caspian hatte seine Walther dabei.

Die Sonne Californiens blitzte, verwandelte die Umgebung in tropisches Land, weckte in Caspian die Figur im Unterbewusstsein.

Es war kalt in Berlin, regnerisch. Es waren jedoch andere Wolken, die weit bedrohlicher wirkten. Felix war genötigt, ein Leben im Untergrund zu führen. Er lebte von Luxusartikeln, die er an den Feldjägern vorbei zu seinen Kunden schmuggelte. Er und Wiesel hatten sich organisiert, wechselten wöchentlich die Identität, die ihnen gefälschte Papiere vermittelte. Felix träumte schon vom Ende des Kriegs, vom Leben in tropischem Land, trug eine mysteriöse Ahnung in sich.

Die Geschäfte auf dem Schwarzmarkt in Naziberlin führten Felix zu Oberst Müller. Dieser trug ihm an, teil seiner eigenen Schwarzhändlertätigkeit zu werden. Zur Tarnung zog nun Felix die Wehrmachtstracht an. Er arbeitete offiziell für das Kontaktbüro für zwischenstaatliche Wirtschaftsentwicklung, raffte im Auftrag Müllers beiseite, was unter den Augen der Gestapo möglich war.

Caspian bemerkte, dass Freunde die er vom Set kannte, mit ihm in Berlin auftauchten. Dort verschob er nicht nur Staatseigentum, er rettete wenn möglich auch Leben.
Er konnte aber nicht bestimmen, wie lange er jeweils abwesend war. Star Rover wurde aber unbewusst die beste Rolle seines Lebens. Seine Taucher gaben der Figur des Wanderers zwischen den Welten eine düstere Intensität. Mit Salz und Pfeffer bespickte seine andere Identität die Rolle am Set.

Seine Sitzungen mit dem Seelenklempner Gaillard, die er sich für teures Geld leistete, kamen zaghaft voran. Felix war eine Abspaltung des Ichs, eine Zwillingsidentität. Oder wie es Gaillard formulierte, die dunkle Seite Caspians Seele, der er sich stellen müsse, wolle er Ordnung in sein Leben bringen.

Als er eines Tages in den Hügeln unterwegs war switchte er unbemerkt ins dunkle Berlin des zweiten Weltkriegs. Ein Kübelwagen spuckte gerade die dunkle Pest von Feldjägern aus. Die Schlinge um seinen Hals hatte sich zusammengezogen. Caspian zückte die Pistole und erschoss beinahe einen Jogger. Felix wollte nicht im Fleischwolf der Gestapo enden.

Im realen Leben, im tropischen Hollywood, widersteht Caspian gerade den Sexgelüsten einer Agentin. Für sie würde er nun wohl nie mehr arbeiten. Nur Carol seine Frau, kann es ihm schwerlich glauben, dass er clean ist, sein Problem ganz anderer Natur ist. Währenddem ist das zwanzig Mio Projekt Star Rover beinahe im Kasten, Caspian nahe der Einweisung in eine Nervenheilanstalt. Felix steht gefangen vor dem Gestapochef Weiss. Ein letztes Mal befreite sich der Geist Caspians, stieg hinunter in die zellulare Hülle des Wehrmachtsleutnants Felix Falkenhayn. Befreit von irdischer Kette wird Felix zum Schlachtstein geführt.

Ein Identitätstausch brachte Felix ins tropische Land seiner Träume, Caspian erlebte das Horrorende des Lebens im Untergrund. Felix wird Caspian sein, Caspian erlebte das finstere Ende der dunklen Seite seiner Seele. Das Henkerbeil sank über dem destruktiven, machthungrigen immer nach Bewunderung heischenden Teil des Selbst. Felix war in Freiheit. War der Ichkomplex jedoch endgültig abgeschüttelt?

Glaubhaft spricht William Kozwinkle von der drogenverseuchten Glamourwelt Hollywoods, lässt auch seinen Helden Caspian in das Reich von Yellow Submarine tauchen. Nimmt er nicht gerade Drogen, so spielt seine Seele mit gezinkten Karten. Filmriss ist kein Action Thriller. Seine Handlung knallt weder im tropischen Californien, noch im düsteren Berlin. Es sind die feingezeichneten Persönlichkeiten, deren dunkle Seiten die Puppen spielen lassen. Ein Amerikaner ist dazu geboren, seine Welt neu aufzubauen. Um dies zu erreichen, ist beinahe jedes Mittel recht. In der Gestalt Gaillards, Caspians Psychoklempners, verpasst uns Kotzwinkle eine Packung Seelenhygiene. Und man kann durchaus sagen, das Herzstück des Romans ist die Definierung des Seelenlebens Caspians in zwei kaputen Welten. Filmriss rechnet mit beiden Welten mit haarscharf definierten Sätzen ab. Auf der einen Seite sind die Starlets Hollywoods, denen das Leben im Paradies Californiens vielmals als Hölle erscheint. Auf der andern Seite ist die wirkliche Hölle auf Erden, repräsentiert durch den zweiten Weltkrieg, der suchende Menschen träumen lässt. Nur ein Amerikaner kann uns also glaubhaft vermitteln, welche Stolpersteine auf dem Weg des Sternenwanderes liegen. Filmriss ist gut geschrieben, aber für einen Fantasyträumer mässige Unterhaltung.

jh

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