j.home`s world
 
Dienstag, 25. November 2014
die zeitmaschine von h.g.well

interpretiert von jhome

Am Ende der Zeit ebbte die Erde. Zentralschatten der Verfinsterung fegten auf den Zeitreisenden zu. Dreissig Millionen Jahre in ferner Zukunft war die Erde eine erstarrte Oede. Das Geheimnis der Zukunft hatte den Zeitreisenden fortgezogen. Immer schneller hatten Sonne und Mond über ihm ihre Bahn verfolgt. Zuletzt hatte der Zeitzeiger Schritte in der Grösse von tausend Jahren genommen. Schliesslich hatte er im Jahre 802701 einen ersten Blick auf die Menschheit geworfen. Um das Ende aller Dinge zu sehen hatte er sein Gefährt wieder bestiegen und den Hebel weiter nach vorne gedrückt. Und am Ende der Zeit hatte die Erde geebbt. Menschen waren zu einem niederen Dasein gezwungen. Die gewohnte Regsamkeit war erstarrt. Es schien als hätte der menschliche Intellekt Selbstmord begangen. Endlich drückte der Zeitreisende also den Hebel in Gegenrichtung. Dabei versetzten die Auswirkungen des ständigen Reisens den ermüdeten Pionier in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Gerade rechtzeigig wieder bei Bewusstsein, stoppte er die abenteuerliche Fahrt im 19.Jahrhundert. Mitgenommen von den ungewöhnlichenn Erlebnissen und den vielen fremdartigen Eindrücken trat er schliesslich unter seine geladenen Gäste.

"Meine Herren", sprach der Zeitreisende, der ohne Namen sein wollte, "wie ich ihnen vor einer Woche bereits erklärt habe, bin ich nun wirklich in die Zukunft gereist!" Nervöses Räuspern gespickt mit erstaunten Blicken zeichnete ein Bild gespannten Harrens. Denn unter den geladenen Gästen befand sich Filby, der dem Zeitreisenden am nächsten stand, sodann ein Psychologe ein Doktor und schliesslich auch ein Journalist. Noch einmal brachte der in seiner zerschliessenen Kleidung Eingetretene das Paradoxon zur Sprache. "Wie ich ihnen erklärt habe, bin ich nun auf der Achse der vierten Dimension gereist." Dem gespannten Zuhören mischte sich nun ein Unterton des Misstrauens bei. Ungläubiges Kopfschütteln war die Antwort. Der Zeitreisende liess sich jedoch nicht beirren. In zweijähriger Entwicklung hatte er schlussendlich eine Maschine gebaut, die es ihm ermöglichte auf der Achse der Zeit zu reisen. Und nun war er nicht von dieser Zeitodysse zurückgekommen um zu debatieren. Durchhaus hatte er nichts gegen ein anständiges Streitgespräch. Aber ersteinmal wollte er einfach erzählen. Die studierten Leute sollten ihm einfach mal ohne Unterbrechung zuhören.

So erzählte er also, verspätet erst sei er auf die Reise gegangen. Aber wie er es geplant hatte, brachte ihn sein Gefährt, das mit kostbaren Materialien und einer Art Schirmrad an der Rückseite versehen war, in die Zukunft. Im Jahr 802701 hatte er die Fahrt ersteinmal gestoppt, gespannt, wie die Welt denn nun wohl aussehen würde. Er war in eine Welt getreten die der unseren glich. In seinen Gedanken formte sich bald ein von zivilisiertem Höchststand gefärbtes Bild. Die Menschen die er traf waren wie kleine Kinder, frei von Sorge, fern von Arbeit und Mühe. Nichts als Frieden und Eintracht konnte er auf den ersten Blick entdecken und er dachte an die soziale Idealform allen Seins, an die Nichtexistenz einer Zweiklassengesellschaft. Allmählich bröckelte der Eindruck einer Menschheit in vollendeter Zivilisation. Dem Zeitreisenden fielen die physische Schmächtigkeit und ein Mangel an Intelligenz auf. Seine kleinen Wirte, wie er sie bald nannte, hatten überhaupt keine anderen Interessen als zu baden singen lachen und essen. Als ein Mädchen beim Baden dem Ertrinken nahe war, wollte ihr niemand helfen. So stürzte er sich selber hinterher und zog sie aus dem Fluss. Das Mädchen hiess Weena und begann wenigstens ein paar Worte zu reden. Dann geschah etwas schreckliches, etwas, das den Pionier und den Bezwinger der Zeit in ein tiefes Loch der Verzweiflung stürzte. An der Stelle da er gelandet war, war nurmehr ein leerer Fleck. Die Maschine die ihn hergetragen hatte, und auf die er letztendlich alle Hoffnungen setzte, war spurlos verschwunden. Eine neue Frage formte sich in seinen Gedanken. Was lauerte denn noch alles in den Ecken und Löchern dieser Welt. Wo war er wirklich gelandet und vor allem wie hatte sich denn jetzt die Menschheit entwickelt?

Eine Furcht vor einem unabänderlichen Schicksal bemächtigte sich dem Zeitreisenden. Plötzlich sah er Schemen in den Schatten und Töne wie von Maschinen drangen aus der Tiefe an sein Ohr. Schliesslich entdeckte er schachtähnliche Krater. Weena erklärte, da unten wohnten die Morlocken, und vor denen lebten sie in ständiger Furcht. Irgendwie war das Ende aller Entwicklung eine derartige, wie er es sich nie vorgestellt hätte. Der Fortgang der Menschheit hatte sich an einem Punkt totgelaufen. Hierarchie und Unterdrückung, Herrschen und Dienen hatten nur eine neue Form angenommen. Zwar lebten die Menschen auf der Obefläche in scheinbarem Frieden, waren aber in ständiger Furcht vor den Wesen aus der Tiefe. Ein erfolgloser Abstecher in einen der Schächte hatte mit der Erkenntnis geendet, das die Absichten der Schachtbewohner keine friedlichen waren. Sie hatten nach ihm gegriffen, versuchten ihn zu fangen. Wie seine neugewonnene Freundin erklärte, fürchteten die Morlocken, wie er sie bald auch nannte, das Licht. Am Tag seien sie sicher. So suchte nun der Zeitreisende eine Bleibe für sich und Weena. Er fand sie jenseits eines Waldes in einem grünen Glasbau, einer Art Museum der Vergangenheit. Nicht lange jedoch wollte er dort verweilen. Er wollte Auskunft über die Morlocken und schliesslich musste er auch seine Maschine wieder finden. Ein Streichholz, das er in der Dunkelheit zur Verteidigung gegen die bösen Wesen einsetzte, entfachte einen Waldbrand, indem auch Weena ihr Ende fand. In der kurzen Zeit da er sie kannte, hatte er doch Gefühle für sie empfunden. Trauer setzte ein, trieb in bald vorwärts, den unerklärlichen Dingen auf die Spur zu kommen. Er unterliess es nochmals in einen Schacht zu steigen. Ging jedoch zum Ausgangspunkt zurück. Dort befand sich ein Portal, eine Art Piedestal mit Bronzepaneelen und sitzener Sphinx. Dabei bemächtigten sich seiner finstere Gedanken. Welches war die wirkliche Beziehung zwischen den zwei Gruppen von Wesen? Das Piedestal war offen und Spuren, die er bei genauerem Hinsehen nun endlich erkannte, führten in einen Vorraum. Und da war auch die Zeitmaschine. Sauber und irgendwie gewartet. In seinem Rücken knarrte es. Mit einem hallenden Schlag, der sich in die Tiefe des Raumes fortsetzte, schlossen sich die Flügel. Neue Geräusche drangen an sein Ohr und er befleissigte sich, den Hebel den er bei seiner Ankunft vorsorglich an sich genommen hatte, einzusetzen. Dann startete er die Maschine, nahm Platz, drückte den Hebel nach vorn. Nach dem bereits erwähnten Abstecher zum Ende der Zeit, kehrte der Zeitreisende zurück.

Anderst als erwartet, war er in der Zukunft auf eine degenerierte Gesellschaft gestossen. Zustände hatten sich nicht verfeinert, soziale Zusammenhänge nicht veredelt und zuletzt hatte er den Kannibalismus gerochen. Er war froh, unter seinen Freunden wieder etwas lebensbejahendes, und schliesslich auch wieder etwas von echtem Pioniergeist zu spüren. Nur eines blieb, und dies war die skeptische Haltung seiner Zuhörer. So sprach denn der mutige Pionier:"Nehmen sie es als Lüge oder Prophezeiung, ich aber habe eine Blume Weenas als Zeugnis." Und er nestelte vorsichtig an etwas herum, das man bei näherer Betrachtung auch als solches bezeichnen konnte. Und nun hatte sich der Zeitreisende also mitgeteilt. Nicht restlos hatte er seine Freunde überzeugt. Das spielte aber keine Rolle, denn neue Ideen bemächtigten sich des Pioniers. Nur einer blieb, Filby, mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.-
Dies war der Bericht des Zeitreisenden und wie er mittels einer einfachen Entdeckung, die heutzutage durch zu moderne Technik wieder ins Dunkle geraten ist, an der Achse der Zeit die Zukunft ertastet hat.

jh

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