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Samstag, 6. April 2013
burgess erklärt 1984

Engsoz ins Auge gefasst

Worin nun Burgess uns das Wesen von Engsoz erklärt, und sich bemüht einen Beschreib der angedachten Verhältnisse in Orwells 1984 zu geben. In welcher Weise Engsoz dazu dient, Macht auszuüben. Von vornherein ist die Macht auf eine kleine Gruppe von Menschen aufgeteilt. Der grosse Bruder ist eine blosse fiktive Scheingestalt und dient dazu, seine Ideale durch eine Gruppe von Menschen zu verbreiten. Man bedient sich, oder besser gesagt, diese Gruppe von führenden Menschen muss sich behmühen ein kollektives Gedächtnis zu erstellen, zu denken wie eine Person. Solipsimus ist das Schlagwort, die Wirklichkeit eines machtgeteilten Selbst, verbreitet durch kollektiven Verstand. Unterstellt sich eine kleine Gruppe von Menschen gleichem Denken, greift sie nun laut Engsoz, zum Mittel des Zwiedenkens. Zwiedenken, um Gegenwart und Vergangenheit nach Belieben zu verändern, und damit zu kontrollieren. Die niederste Schicht, die Proles, muss glauben was die Partei mittels Zwiedenken verbreitet. Zwei und zwei geben fünf. Hier greift nun der manipulative Charakter der selbsteingesetzten Elite. Sie hat damit begonnen dem Menschen vorzuschreiben, was die Wirklichkeit ist. Hat damit begonnen, den Bereich der persönlichen Sinneseindrücke zu erklären. Drückt dem Proles kraft seines kollektiven Selbst willkürlich zusammengestellte Information als Wahrheit auf. Die Parteimitglieder, eine Art innerer Zirkel, verallgemeinern zugeschneiderte Geschichte nach ihrem Gutdünken. Der englische Sozialismus Orwells dient also vor allem dazu, das die Elite die Proles wie eine Herde mit dummem tierischen Sinn, vor sich her treiben kann. Führung ist staatliche Kontrolle, das Individuum verdammt, präpariertes Leben zu schlucken. Und so kommt es zum alles vernichtenden Satz, wahr ist, was die Partei als wahr erklärt.

Burgess denkt, dass das Zwiedenken, das so entstandene für wahr halten zweier eigentlich gegensätzlicher Aussagen, in der Person Orwells zu finden ist. Zutiefst in der Gespaltenheit seiner menschlichen Natur liegt. Orwell lebte am Rand der herrschenden Klasse, fühlte die Spannung zwischen der intellektuellen Oberklasse und den Arbeitern, sympatisierte mit den einfachen Menschen, konnte aber nie seine Herkunft ablegen. Das Zwiedenken ist eigentlich in uns angelegt. Was uns die Sinne über die Wirklichkeit liefern muss mindestens zwei Schranken passieren. Nur um ein einfaches Beispiel zu nennen, könnten wir sagen, auf der einen Schranke klebt ein Herz, auf der andern der Verstand. Beide sieben die gerade reingekommene Information. Und sie sieben sie nach ihrer Normung. Der Verstand zieht einen erlernten Believe Masstab hervor, das Herz öffnet den Gefühlen die Schleuse, räumt den Emotionen Wahlrecht ein. So kann mann durchaus sagen, was die Sinne liefern, entfacht Zwiedenken. Und wir filtern sie und liefern je nach dem Erklärungen. Orwell verwaltete die reinkommenden Infos unter den Gesichtspunkten seiner Herkunft und seiner politischen Ambitionen. Sympatisierte mit den einfachen Bürgern, konnte sich jedoch nie recht einlassen.

Was nun die Partei betrifft, so trieb sie wuchernden Missbrauch in der Verwaltung der Informationen. Durch angstverbreitende Drohungen wussten sie ihre Macht zu gebrauchen. Manipulierten was das Zeug hielt. Zwiedenken, eingesetzt vom Parteiorgan, ist somit ein Mittel zur Bewältigung von scheinbaren Widersprüchen. In der Neudefinierung der Wirklichkeit setzt die Partei auf die Neusprache. Neusprache dezimiert das ehemalgie vielfältige Denken und Reden auf verben-und adijektivlose Hauptwörter. Die Partei beginnt das ganze geistige Erbe durch Neusprache zu filtrieren, enthauptet Denker, verpasst der Neuwelt die von ihr geglaubte Geschichte. Und dies ist die Gedankenkontrolle, wie es im Engsoz vorgesehen ist.

Dies gipfelt in der abstrakten Aussage, Krieg bedeutet Frieden. Winston Smith, der Protagonist, ist geschult in der Neusprach, arbeitet im Miniwahr, manipuliert angebliche Irrtümer in alten Ausgaben der Times. Medien werden dauern auf die Parteilinie zu geschustert, vergangene wie gegenwärtige. So werden die Proles an der Stange gehalten. Sie konsummieren, was der Staat zu konsummieren erlaubt. Kontrolliert von der Polizei, dürfen sie ein fast normales Leben führen. Geld und Vergnügungsmöglichkeitein sind vorhanden. Was den Parteimitgliedern verboten ist, ist ihnen erlaubt. Sie heiraten, kriegen Kinder. Winston Smith ist es aber als Parteimitglied nicht erlaubt, am Leben der Proles teilzunehmen. Der Staat beobachtet auch seine Parteimitglieder. Überhaupt ist es das oberste Ziel, die Triebe bei Parteimitgliedern auszurotten. Seine ganze Hingabe soll dem Staat gelten. Fehlt er und er wird ertappt, so landet er im Miniwahr, dem Ministerium für Liebe, da ihm mit Gewahlt der Wille umgekehrt wird. Er soll am Schluss freiwillig das Lob auf den grossen Bruder verkünden. Freude haben, am Macht ausüben. Denn innerer Zirkel und die ausführenden Parteimitglieder leben für die Macht. Der Mensch vergeht, nicht aber die Idee der Staatsform und mit ihr die Macht, die es gilt aufrechtzuerhalten, mit allen Mitteln. Dies ist der Engsoz Orwells, ein ewiges anbeten der Macht für ein paar wenige.

jh

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burgess erklärt 1984

1948: Gespräch mit einem alten Mann

Worin Burgess schon einmal feststellt, dass 1984 eine ironisch philosophische Note hat und gleich auch anmerkt, dass Orwell 1948, da er 1984 schrieb, also drei Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, so etwas wie eine Zustandsanalyse Londons der Nachkriegszeit verfasste. Und so muss man bedenken, dass es den Engländern noch nicht wirklich besser ging. Die Wohngegenden waren heruntergekommen,das Essen rationiert, Hygieneartikel noch nicht wieder erhältlich. Und gleich schwenkt Burgess den Strahler auf den Fernseher. Im Roman Orwells ist er zum Televisor mutiert, zum alles sehenden Auge des grossen Bruders. Orwell prophezeit also, dass gerade der in die Gesellschaft eingeführte Fernseher dem Staate als Kontrollorgan dienen werde. Wurde Orwell von einer unbestimmten Angst infilltriert, die in allen Stuben vorhandene Neuheit diene in der Nachkriegszeit zur Überwachung des Bürgers?

Und so stellt Burgess nüchtern englisch fest, dass Orwell gar kein visionäres Londen entworfen hat sondern auf den Seiten, die die Welt bedeuten, das Londen von 1948 nachgezeichnet hat. Orwell hätte lediglich Sinneseindrücke verarbeitet, keinen visionären Roman entworfen, was von weitem betrachtet, mit zeitlichem und streckenmässigen Abstand, schwer zu beurteilen ist. Berufen wir uns also auf die Grundlage des Romans. Im realen Leben war Orwell Rundfunkmitarbeiter. Prägte seinen Roman also vor allem aus der Sicht eines intellektuellen Medienprofis. Hatte von dort her die Idee von Zimmer 101 im Minilieb, dem Ministerium für Liebe, wo der Staat ungehorsame Bürger bearbeitete. Tief verwoben ist die Vorstellung des Engsoz zudem mit dem tatsächlichen englischen Sozialismus. Und damit kommt der Name ins Spiel, Winston Smith, der eine Anspielung auf Winston Churchill ist, den Mann des Volkes. Im Namen aber erkenne nun das britische Volk wieder eine feine ironische Note der Erzählung Orwells, denn anstatt einer Anlehnung an Churchill und an einen edlen Charakter, hätte der Name Winston eher eine diletantische, unanständige Seite. Derweil nun Burgess auch bemerkt, dass 1945 sich das britische Volk von Churchill abwandte, und eine sozialistische Regierung wollte. Nun erklärt aber Burgess gleich wieder, dass Engsoz sich vom britischen Sozialismus unterscheidet, und erzählt von englischem Puritanismus, von Fortschritt ohne Annehmlichkeit.

1948 herrschte also eine Politik der Sparsamkeit und Einfachheit, leider aber auch gekoppelt mit anmassender Bürokratie. Orwell war Sozialist. Aber der Graben zwischen abstrakter Parteidoktrin und Lebenswirklichkeit, machte ihn krank. Dem einfachen Menschen wollte er Nahe sein, sich mit dem Arbeiter identifizieren, dabei zeichnete aber nur schon sein Standesenglisch einen Graben zwischen ihm und der einfachen Welt. Orwell selber konnte nie wirklich seine Herkunft, in der Sprache des Buches ausgedrückt, vaporisieren, völlig auflösen. Er war ein Intellektueller mit Ideen und daraus folgenden Ansprüchen an seine Umwelt. Und so lässt sich die unwürdige Darstellung der Proles, der dritten Schicht von Menschen, erklären. Seine Unfähigkeit im wahren Leben ein Teil der einfachen Welt zu sein, liess ihn die Proles erfinden. Eine Schicht von Menschen die zum Kanonenfutter der Herren degradiert war. Am Rande der herrschenden Klassen geboren, hatte Orwell aber auch nicht wirklich ein gutes Händchen im Umgang mit der Welt ererbter Tradition und der Welt reiner Doktrin. Und dass er im Roman erwog, Winston eine Revolution anstiften zu lassen, mag ein Hinweis sein, dass Orwell das damalige britische Ziel zur Durchsetzung eines Gleichheitsprinzips, unterstützte.

Burgess wirft nun einen Blick auf das Privatleben von Winston Smith und stellt fest, dass Winston sich nach der Vergangenheit sehnte. Also nach jenen Werten wie Privatleben und individuelle Freiheit, die dem Staat und dem grossen Bruder als Relikte der Altsprache und als subversiv galten. Und nun folgt jenes wortreiche Gemetzel, da Burgess alles Alte als subversiv bezeichnet, denn es stehe den doktrinären Werten im Wege. Geräuschvolle Diskussionen in alten Kneipen, familiärer Zusammenhalt und liebenswerte Polizisten, ein System, das alte Werte erhält sei Orwell lieber als verfälschtes Bier und Angst vor Abhörwanzen. Burgess gibt nun dem Roman das Recht, visionär zu sein, indem es ein Britannien darstellt, dass das metrische System schon eingeführt hat. Gegensätzlich zur Archalov, der Liebe zum Alten, beschreibt Burgess nun die Prädestination Winstons als Intellektueller. England schaute auf Russland, das Russland Stalins. Und nun kommt der Abschnitt, worin Burgess erklärt, wieso ein Intellektueller Englands, wieso vielleicht Orwell selber glaubte, der Totalitarismus Stalins diene dem Fortschritt. Denn es läge in der Natur eines Intellektuellen, fortschrittlich zu sein. Langwierige demokratische Verfahrensweisen wirkten darum hemmend. Es sei eine gute Idee, eine Zukunft zu schaffen, die schneller auf Entschlüsse von Denkern reagieren könne. Ein Intellektueller neige darum zum Revolutionär, beziehungsweise fände es langweilige, seine Ideen ohne Macht in einer freien Welt zu verbreiten, seine Tipps ohne pragmatische Anwendung zu sehen. Darum hätten Intellektuelle dauernd etwas zu husten, und solle es nicht zur Frustration kommen, muss er seine Theorien bewahrheitet finden.

Das Volk Englands, ja Orwell selber, war aber weit davon entfernt, ein totalitäres System auch nur anzuwerfen. Was England in der Gegenwart hat, ist ein minimales sozialistisches Staatssystem mit wenig öffentlichem Eigentum. Und so ist nun Burgess so weit festszustellen, dass Engsoz gewissermassen ein Namenstrick ist. Denn ohnehin ist nach Hitler das ehrenhafte an Sozialismus angeschwärzt. Orwells Buch sei eine romanhafte Zustandsaufnahme von 1948, mit Bildern, die dem zweiten Weltkrieg entlehnt sind. Orwell gab uns also seine Version, seinen intellektuellen Entwurf, seine denkerische Verarbeitung elitären Staatstums, das orwellsche Kakotopia!

jh

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