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Sonntag, 7. April 2013
Burgess erklärt 1984

Staat und Superstaat: ein Gespräch

Worin nun Burgess beschreibt, wohin die Welt internationaler Politik driftet. Es gibt eine Zeit des geistigen Übergangs. Länder sind demokratisch und zum Teil oligarchisch regiert. Russland, China und die USA sind Weltmächte, aber nicht im Sinn von Orwell zentralisiert. Die Machtverteilung wird vom Oelfluss und von religiösen Werten bestimmt. Ausserdem ist die Welt von der Bedrohung durch die Atombombe bestimmt. Und nicht zu vergessen, versuchen auch Kleinstaaten wie Kuba, die Welt aufzumischen. Bekriegen die Grossmächte, so weit es ihre Interessen nicht hemmt.

Nach dem zweiten Weltkrieg und nach dem Niedergang des deutschen Reiches, nahm jedoch nicht gleichzeitig die Aufrüstung den Hut. Es wurde produziert, Kanonen und Butter gleichermassen. In Orwells Roman werden die Industrieerzeugnisse für den Krieg gebraucht. So hielt die Partei durch ständiges kriegen, durch ständigen Verbrauch, die Produktion hoch, die Proles klein. Die Welt Orwells kennt das sowohl als auch. Kriegs- und Konsumgüter passieren den Ladentisch. Der Fernseher liefert sowohl Unterhaltung als auch ständige Kriegsberichterstattung. Und somit erhält der grosse Bruder das Kriegsbewusstsein durch verschwenderischen Verbrauch der Erzeugnisse.

Orwell will aber auch nicht Amerika als Superstaat benennnen. Auch wenn innerstaatliche Organisationen wie die CIA überwachungstaatliche Tendenzen aufweisen. Auswüchse des Krieges halfen aber den europäischen Staaten auf dem Weg zur Demokratie. Und so stellt sich denn nun endlich die Frage, was das echte Gegenstück zu kollektivistischer Tyrannei sei. Die Demokratie? Die Herrschaft durch das Volk? Die Herrschaft durch die Gewerkschaften? Ein echtes Gegenstück muss also etwas von freiem Willen für das Volk durchblicken lassen. Gerechtigkeit für alle aufblitzen lassen. In den freien Ländern des Westens hat sich aber die Kontrolle verschoben. Die schnüffelnde Gedankenpolizei hat teilweise durch den Computer Eingang in private Welten gefunden. Daten jeglicher Art bestehen bereits in digitaler Form. Sei es für Käufe, für die Bank oder für unser Profil auf Facebook. Sie werden bislang vor allem zum Wohle verwendet. Verändert hat sich auch das Streben nach Information. Der grösste Teil eines Volkes in einem Land des freien Westens zieht Sport und leichte Unterhaltung politischen Brandreden vor. Und Burgess mutmasst, dass in manchen Teilen der Welt, oder in manchem Leben, der Gegenbegriff für Staatstyrannei nicht persönliche Freiheit, sondern unpersönliches Chaos ist.

Zu den machtpolitischen Tendenzen im freien Westen, so könnte man behaupten, gehöre die allgemeine Steuerpflicht. Oder die Wehrpflicht. Wahrscheinlich haben aber Grosskonzerne oder Grossbanken die grössten Tendenzen zur Machtausübung. Sie bilden die Leute aus, bestimmen den Markt, betreiben Forschung, kontrollieren das Konsumverhalten, sind die heutigen Profis des Zwiedenkens, vermitteln uns ein Verlangen zu kaufen, was wir eigentlich nicht brauchen. Jedenfalls nicht existentiell. Und zuletzt und nicht am wenigsten belastet auch ein zu verbürokratisiertes Staatswesen die Wege des freien Bürgers. Einzige Hoffnung: machen wir es in den Vereinen besser!

jh

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Burgess erklärt 1984

Kakotopia

In welcher nun Burgess Altdenk zu Rate zieht und Orwells Vision als Kakotopia benennt. Er will es nicht Utopia nennen, denn dies sei mit angenehmen Gedanken verbunden. Orwell verpasst uns aber eine albtraum ähnliche Anderstwelt, welche mit dem Begriff Kakotopia besser benannt sei. Und vergleicht es mit dem schon früher vom russischen Schriftsteller Samjatin verfassten Werk "Wir". Orwell hatte "Wir" gelesen. "Wir" ist die Abrechnung eines intellektuellen Russen mit dem Staatsapparat um die letzte Jahrhundertwende. In beiden Büchern hat die Kontrolle des Staates und damit verbundenes Abtöten von Ichbezogenem Lebenn vorrang. Orwell prophezeite den Televisor, Samjatin baute Glashäuser in einem Utopia im 26.Jahrhundert. Beide beschreiben Protagonisten, die an der Einflussnahme, oder am versuchten Gott spielen der Elite, sich aufreiben.

Ebenfalls unter dem Einfluss von "Wir" schrieb Huxley sein "Brave New World". Huxleys Roman erzählt entgegen der Orwellschen Versklavung der Menschen durch kollektives Gedankengut, von einem Menschen, prädestiniert durch Geburt und nachfolgender lebenslanger Konditionierung von Verhalten. Dabei gibt Orwell Huxleys Entwurf keine Chance. Es fehle ihm der Faktor Macht, der innerhalb der Gesellschaft Katalysatorwirkung hat. Dagegen glaubte H.G.Wells, ein weiterer Vertreter dystopischen Gedankenguts, eine gerechte Gesellschaft könne aufgebaut werden. Wells hält Machtgier mit gebotener Strenge kurz, zelebriert den Sieg der Vernunft.

Burgess bezeichnet nun die beiden Haltungen, die ideelle doktrinäre und die sozialistisch vernünftig wissenschaftliche als augustinisch oder pelagianisch. Kurz erklärt, hatten die beiden Kirchenfürsten einen Streit darüber, ob der Mensch nur durch Gottes Gnade errettet würde, ein besseres Leben führen könne(Augustinus), oder ob der Mensch einen wesentlichen Teil dazu selber beitragen könne. Orwell meinte also in diesem Kontext, eine Reform müsse von geistigen Kräften lanciert werden. Menschliches könne dazu nichts beitragen. Wells oder Huxley würde erwiedern, der Mensch brauche eine geballte Ladung angenormter guter Eigenschaften, um überhaupt den Sprung aus seinem Sumpfloch zu schaffen. Oder um es mit einem modernen Beispiel zu benennen. Hätte Batman in Dark Night Rises den Sprung von der Plattform im Schacht nur aus körperlicher Anstrengung getan, hätte die geistigen Kräfte ausser acht gelasssen, er wäre abgestürzt.

Burgess stellt diese Haltungen einander gegenüber. Der Erbsünde, die uns im Jammertal hält, und aus dem wir nur mit göttlicher Hilfe rauskommen, stellt er das menschliche Reagieren auf eine schlechte Umwelt gegenüber. Das heisst, der Mensch ist nur so schlecht, wie seine Umwelt es ihm aufbrummt, kann die Umstände ändern, um sich zu retten. So steht die Abhängigkeit von göttlicher Gnade für eine gute Entscheidung, dem freien Willen einer Persona, das gute aus sich selbst zu wollen, gegenüber. Orwell benützt den ideell konzipierten Staatsapparat um die Parteimitglieder und die Proles zu leiten. Liebe zum grossen Bruder aus den Herzen zu klopfen. Dagegen stehen Wells und Huxley, die den Menschen züchten, prädestinieren und durch Konditionierung Normen. Man kann also sagen, dass alle drei uns einen Spiegel vorhalten. Burgess fragt uns, wie frei, oder nicht frei wir sind, das Gute das wir tun sollen selbst zu wählen, unabhängig von äusserer und innerer Macht, von Staat und Selbst. Fehlt noch das Blinken der Demokratie und was sie über Freiheit zu sagen hat. Was aber in diesem Rahmen zu weit ginge, es auszuführen.

jh

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